Willi in China

Willi in China

Karate in China
2017 war mein „chinesisches Jahr“! Insgesamt war ich 16 Wochen beruflich im Reich der Mitte, speziell in Peking. Hier habe ich zwei Projekte meiner Firma unterstützt, habe mitgeholfen das Produkt serienreif zu machen 16 Wochen sind schon eine ordentliche Zeit – und wer mich kennt, weiß dass ich so lange nicht ohne „mein“ Karate auskomme. Nun ist es nicht ganz so einfach im Land des Kung-Fu und Tai-Chi /im Land der Erfinder des Kampfsportes ein Dojo für eine japanische Kampfsportart zu finden….
Das hat zwei gewichtige Gründe. Erster Grund ist – wie oben schon erwähnt – die Chinesen haben Kung-Fu und damit auch 70 bis 100 Varianten dieser Kampfkunst. Und dann sind die Chinesen nicht gut auf Japaner und japanische Dinge zu sprechen. Dies liegt wohl an den Greueltaten der japanischen Armee im zweiten Weltkrieg begründet….
…. Seltsamerweise sieht man aber sehr viele japanische Autos….
Trotz dieser Widrigkeit habe ich aber trotzdem versucht ein Dojo zu finden – bei 25 Millionen Einwohnern in Peking (nennt man die Einwohner von Peking eigentlich Pekinesen…  ) müsste es doch ein paar Exoten geben…(!) Und tatsächlich, mit Hilfe des sehr bemühten Personales im Hotel habe ich dann ein Dojo gefunden!! Ganz weit draußen in einem Außenbezirk, 25 Kilometer vom Hotel entfernt. Das liest sich jetzt nicht weit entfernt – aber wer die Verkehrssituation in Peking etwas kennt, weiß was das bedeutet! Je nach Taxifahrer 1,5 bis zwei Stunden „Fahrtzeit“ …. Mit der U-Bahn nicht viel weniger.
Als ich mich das erste Mal auf den Weg gemacht hatte, war mir schon etwas mulmig. Was mich da wohl erwarten würde…. Der Concierge des Hotels meinte zwar der Dojoleiter könne englisch und hätte auch extra zwei Schüler eingeladen, welche sogar deutsch könnten – aber trau schau wem…  Ich also rein ins Taxi, dem die Adresse gegeben (natürlich auf chinesisch) und dann mal sehen, wo der mich hinfährt. Je länger die Fahrt dauerte umso mulmiger wurde mir. In Gedanken sah ich mich schon am Stadtrand, ausgeraubt und geplündert und auf der Suche nach einem Transportmittel zurück zum Hotel…  Und die Gegend, wo mich der freundliche Tax’ler dann auch hingefahren hat, da würde ich normalerweise nicht unbewaffnet hingehen!
Zwischen abgewrackten Häusern und dreckigen Ramschbuden, an Müllbergen vorbei durch unbeleuchtete Gänge ging es in den Hinterhof eines Wohnblockes. Dort in den ersten Stock eines „Einkaufcenters“ an einem mongolischen Lokal vorbei (Dreck, Gestank, freundlich aussehende Menschen…. ) stand ich auf einmal …. vor einem blitzsauberen – wenn auch kleinen – Dojo und wurde sehr freundlich auf englisch und deutsch empfangen! Ich war am Ziel, der Sensei hat mir dann auch gleich ein Vorstellungs-Video gezeigt ….. und mich gefragt ob ich schon Karate gemacht hätte… 
Bevor hier mit dem Training begonnen wird, wird erst einmal sauber gemacht und aufgeräumt!! Deswegen ist dieses Dojo auch ein Perle in seinem Umfeld! Fand ich sehr beeindruckend.
Jetzt kam dann mein beliebtes Spielchen…  … tief stapeln und dann auftrumpfen. Als ich dann im vollen Ornat vor der Truppe stand, war’s kurz ruhig…   Man muß dazu sagen dass lediglich der Sensei schwarz umgürtet war, der Rest (bis auf einen jungen Mann) hatte maximal blau um den Bauch. Wir sind dann gleich ins Training eingestiegen – so wie früher bei uns. Erstmal zum Aufwärmen fix und fertig machen und dann noch ein wenig Technik. Bei den Katas habe ich tierisch abgekackt weil das Katas aus einer mir nicht bekannten Stilrichtung waren! Ein wenig Goju_Ryu, ein wenig Shito-Ryu und ganz viel chinesische Eigenkreation… 
Hat aber tierisch Spaß gemacht, war allerdings auch sehr schweißtreibend! Und so kommt es dass ich inzwischen fünf Mal dort zum Training war – sogar zur Stadtmeisterschaft eingeladen wurde (da konnte ich leider nicht teilnehmen weil ich gerade zu dem Zeitpunkt NICHT in Peking war…).
Sensei Su will mich auch beim nächsten Mal zwei anderen Sensei’s aus anderen Bezirken vorstellen; wir haben auch schon überlegt eine Art Lehrgang zu machen. Da soll ich ihnen dann zeigen was ich /wir uns unter Karate vorstellen. Falls es also mit meinem Job hier in Peking nicht mehr klappen sollte, fange ich als Karatelehrer an… 
Nun erscheint fünf Mal Karatetraining in 16 Wochen nicht gerade viel – aber ich bin mehrheitlich zum Arbeiten hier und wenn de um 17 Uhr Feierabend hast und dich dann zwei Stunden durch die Stadt quälen musst …. Nur um vom Hotel zum Dojo zu kommen … trotzdem habe ich einen Eindruck vom chinesischen Karate bekommen.
Gleich neben dem Hotel gibt es einen kleinen, versteckten Park. Dort treffen sich die Einwohner und machen alles Mögliche, vom Karten- und Ballspiel /Tai-Chi und Tanz, Spazieren … und auch Kung-Fu. Ich bin da ein paar Mal hin und habe für mich trainiert (nicht das ihr glaubt, ich wäre faul gewesen…!). Und es haben sich immer Interessierte zusammen gefunden, so dass ich nie lange allein trainiert habe. Das Leben in Peking spielt sich auf den Straßen (leider) und in diesen kleinen Park’s – die es überall gibt – ab. Es ist bunt, quirlig und freundlich, selten aufdringlich oder aggressiv. Und ich bin nie lange allein gewesen und hatte viele schöne Erlebnisse /Erfahrungen und Gespräche (naja, mit den Gesprächen ist das so eine Sache wenn man diese Sprache überhaupt nicht kann). Die Einzigen, die dich immer versuchen zu bescheißen, sind die Taxifahrer und die kleinen Händler. 
Chinesisches Karate ist ein wenig altmodisch, die Trainingsmethodik weit von westlichem Standard entfernt. Aber sie lernen schnell, sie sind sehr gut im Improvisieren und auf internationaler Ebene wir in sieben bis acht Jahren mit ihnen zu rechnen sein (auch ohne meine Hilfe… ).
Das war’s mal auf die Schnelle. Natürlich habe ich noch viel mehr erlebt, was ich nicht Alles schreiben kann…  Also freue ich mich, meine neuen Erfahrungen, neuen Kenntnisse irgendwann einmal mit euch teilen zu können.
….. bis denne….